Dangerous Tastes. The History of Spices. Andrew Dalby, 2000.
Leider nicht auf Deutsch erhätlich ist diese faszinierende Einführung in die Welt der Gewürze, mit einigen Höhepunkten und ein paar Enttäuschungen.
Dalby gibt dem Leser einen Überblick über die zahlreichen Gewürze, welche Menschen genutzt und begehrt haben, für die ganze interkontinentale Handelsrouten und Imperien aufgebaut wurden.
Man erfährt vom historischen und verlorenen Silphium des Nahen Ostens (und des antiken Rom) ebenso wie vom Sichuanpfeffer, der in Ostasien immer noch viel genutzt wird, hört aus alten Texten und von neuen Ideen, lernt Gewürze näher kennen, die heutzutage überall zu finden sind und Gewürze, die wieder verschwunden sind.
Alles schön und gut, aber auch das Problem.
Man erfährt etwas über so viele Gewürze, dass die meisten derselben kaum einen Absatz lang beschrieben werden, auch wenn ganze Bücher über sie geschrieben werden könnten (und meist auch wurden).
Dieser enzyklopädische Ansatz bedeutet, dass ein bereits erfahrener Leser auf nette Art an sein Vorwissen erinnert wird, ein weniger umfassend über Gewürze gebildeter Leser eine schöne Appetitanregung erfährt. Das Buch liest sich aber weniger wie eine, geschweige denn die, Geschichte der Gewürze, denn wie eine Sammlung an Lexikoneinträgen (wenn auch weniger trocken), die oft nur darum über ein Gewürz zu schreiben scheint, um sich gleich wieder dem nächsten zuzuwenden.
Es gibt aber dennoch zahlreiche Einsichten, für die Dalby grosses Lob verdient.
Erstens einmal erfährt Zucker hier einmal seine richtige (historische) Einordnung als ein Gewürz, mit dem zu besonderen Anlässen besondere Leckereien zubereitet wurden, nicht die allgegenwärtige Zutat, die er mittlerweile geworden ist. Schon alleine in diesem Punkt ist der Text informativ und regt zum Denken an, vor allem wenn man dann gleich noch den Schritt weiter zur rezenten Literatur geht, die Zucker in seiner heute oft zu findenden Form in modernen industriellen „Lebensmitteln“ als Gift betrachtet.
Besonders gut ist Dalbys Text, in seiner Gliederung und Genauigkeit (aber auch in seiner Kürze), beim Thema Chilli.
Hier ist er einer der immer noch ganz wenigen Autoren, welche die grösseren Gruppen kultivierten Chillis aus verschiedenen Ursprungsregionen (zwar alle am amerikanischen Doppelkontinent, aber eben doch unterschiedlich) richtig einteilen und in ihrer jeweils eigenen Geschichte präsentieren.
Wo sonst findet man eine Diskussion dazu, welchen Chilliarten Columbus wohl als ersten begegnet ist? Wer sonst gibt schon rocoto, chinchi uchu und ulupica ihren eigenen Eintrag, wie er ihnen gebührt?
Dalby ist ausserdem der erste Autor, der mir bekannt ist, der sich nicht hat von der Geschichte rund um Gewürze und Fleisch im Mittelalter einnehmen lassen.
So oft heisst es, die Menschen im mittelalterlichen Europa hätten Gewürze (wie Pfeffer und etwas später dann Chilli) darum so sehr geschätzt, weil sie nur verdorbenes Fleisch bekommen konnten und die Gewürze brauchten, um es geniessbar erscheinen zu lassen. Nicht wahr, sagt Dalby; es ist wahrscheinlich eine erfundene Geschichte, die ein Historiker einmal erzählt hat, und die seitdem so gern und oft wiederholt wird, nicht weil sie den Tatsachen, sondern weil sie unseren Vorurteilen über das Mittelalter so wunderbar entspricht.
Alles in allem ist Dangerous Tastes eine ausgezeichnete Ergänzung zu einer gut ausgestatteten Sammlung an Chilli- bzw. Gewürz-Büchern, mit enzyklopädischem Ansatz – zum guten wie zum schlechten. Wer noch nicht so viele Bücher zu dem Thema hat, für den ist es eine interessante Wahl; wer sich bisher nur auf ein oder zwei Gewürze konzentriert hat, der findet hier einen guten Ausgangspunkt, um seinen Horizont zu erweitern.
Die eine Geschichte der Gewürze die alles umfassend erklären wird aber, die findet man in Dangerous Tastes nicht. Vielmehr ist es ein Überblick und Ausgangspunkt der sich sehr gut eignet um festzustellen, worüber man vielleicht gerne noch mehr wüsste, das aber bisher noch gar nicht wissen konnte.
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