Nicht „Wie scharf ist dieses Chilli?“, sondern: Wie ist die Schärfe dieses Chilli?!

Tiefer in das Thema ChilliKüche bin ich dadurch gezogen worden, dass es mit ihr eine besondere Bewandtnis hat.

Nicht in der Schärfe, aber in deren Profil – das meist sträflich vernachlässigt wird.

Das Missverständnis mit der Schärfe

Viele Leute beschäftigen sich mit dem Chilli gerade einmal genug um zu wissen, ob sie es scharf wollen oder nicht. Und wenn scharf, dann wie scharf.

Viele werden zu Chilli-Fans, denen es nur noch um die Schärfe geht. Man kann das leicht daran sehen, wenn ständig wieder neue Rekorde für neue superscharfe Chilli und deren Scoville Heat Unit-Ergebnisse produziert werden.

Das spezielle am Chilli ist aber, dass es eben *nicht* nur um die Schärfe geht (wie ich schon einmal in einem eigenen Artikel zu Chilli-Missverständnissen aufgezeigt habe…).

Das richtige Chilli

Die Schärfe spielt nur eine gewisse Rolle.

Was ein Chilli richtig für ein bestimmtes Essen macht, wodurch es diesem Essen seine richtigen Charakteristika gibt, das ist auch, wie schnell sich die Schärfe entwickelt, wo sie brennt, wie lange sie verbleibt oder wie schnell sie wieder vergeht.

Das lernte ich von der Hunan-Küche – und offenbar war ich nicht der einzige, dem das auffiel.

Jiachang Doufu

Wie ist die Schärfe?

Für ein Gewürz, das seit tausenden Jahren in seinen Ursprungsgebieten wichtig war, dann schnell in Küchen rund um die Welt essentiell wurde und das auch schon wieder seit hunderten Jahren ist, wurde diesen Eigenschaften wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Ivette Guzmán und Paul W. Bosland haben sich dem endlich gewidmet und ein Set an Deskriptoren für die sensorischen Eigenschaften der Chilli-Schärfe, in einem Artikel erschienen in Appetite, 2017, aufgestellt.

Wie sie bemerken, wurde die Bedeutung der Schärfeprofile von Chilli zuerst in asiatischen Küchen offenbar (wie von Ku, Lee und Park 2012 aufgezeigt); und es ist nicht nur der Gehalt an Capsaicin(oiden), sondern der Gehalt verschiedener Capsaicinoide und deren jeweils unterschiedliche Wirkung, welche den ‚Geschmack‘ von Chilli-Varietäten bestimmen und ausmachen, ob deren jeweiliges Schärfeprofil für eine bestimmte Küche passt.

(Das zu lesen hat mich mehr als glücklich gemacht, war das doch schon lange eine Vermutung von mir. Nur Bestätigung hatte ich lange keine gefunden.)

Zum Beispiel bemerken die Autoren (genau für das Chilli, wofür ich das vermutet hatte), dass Rocoto (Capsicum pubescens) oft weniger Capsaicin(oide) enthält als andere Chilli-Varietäten, aber schärfer schmeckt. Kein Wunder, lässt sich sein Schärfeprofil doch offenbar beschreiben als rasch, unglaublich scharf, mit einem Effekt im gesamten Mundraum inklusive Lippen, Gaumenmitte und Rachen, das ganze auch noch mit einer Schärfe, die eine der anhaltendsten aller Chilipfeffer ist!

Hier findet man bereits einige der von den Autoren aufgestellten Deskriptoren, mit denen ihrem Vorschlag nach das Profil der Schärfe von Chilli-Varietäten beschrieben werden kann:

  • Entwicklungsehr rasch, rasch, mittel-rasch oder mit Verzögerung
  • Gefühl – scharf-stechend (bzw. unglaublich scharf wie beim Rocoto) oder flach-dumpf
  • VerortungLippen, Zungenspitze, vorderer Mundraum, Seiten der Zunge, Gaumenmitte, Rachen, hinterer Rachen
  • Intensitätextrem scharf, sehr scharf, scharf, mittelscharf, mild
  • Dauerverfliegt rasch, verfliegt, verbleibt lange (und die jeweilige Lokalität, wo)

Dies ist ein fantastisches Set an Deskriptoren, weil man dadurch einen Werkzeugkasten bekommt, mit dem man genau beschreiben kann, was bei der Frage nach der Schärfe (hier: Intensität) alleine oft verloren geht.

Mit Habaneros (Capsicum chinense) war es zumindest immer möglich, auf deren Aromen und die nicht immer extreme Schärfe hinzuweisen.

Bei vielen Chilli allerdings gab es eben noch etwas mehr, was für das Kochen damit unbedingt zu beachten wäre, wir aber nicht so gut beschreiben konnten, weil ein vereinheitlichtes Vokabular dazu fehlte.

Jetzt nicht mehr – zumindest, würde diese Art der Beschreibung mehr Aufmerksamkeit und Nutzung finden.

 

[Bild oben: PepperswithscovilleCentralMarketHoustonTX.JPG, publiziert auf Wikimedia Commons unter Public Domain, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:PepperswithscovilleCentralMarketHoustonTX.JPG]

3 Antworten

  1. Avatar von Jesse-Gabriel
    Jesse-Gabriel

    Super Artikel, Blogeintrag, vielen Dank!
    Jesse-Gabriel

  2. Danke für die super interessanten Infos.

    Ich baue seit ca 5 Jahren Chilis auf meiner Fensterbank an.

    Eine interessante Reise in die Botanik.

    Überglücklich bin ich wenn ich in Supermärkten kleine Töpfe mit Chilis für wenig Geld finde. Das ist vor 2 Jahren zwei mal geschehen.

    Ich habe eine Chili mit runden kleinen Früchten bei denen die ganze Pflanze purpurrot ist. Die Mutterpflanze hat den Winter nicht überlebt. Doch die Pflanzen aus Samen zeigen schon 6 Monate nach dem Keimen die ersten Blüten und Früchte. Wie schön ist das! Ich vermute das die aus Samen gekeimten Pflanzen meine Kultur besser vertragen und den Winter überstehen.

    Ebenso habe ich Habanero Samen bestellt und keimen lassen.

    Ich werde mich gedulden und bin gespannt auf die Blüten und die Früchte.

    Des weiteren habe ich eine Moruga Skorpion, die schon 3 Jahre alt ist und nicht üppig aber zuverlässig Früchte trägt.

    1. Danke! Ja, es ist einfach was schönes!

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