Die Seltsamkeit des Chilli in China

China sollte eine der bekannt scharfen Nationen der Welt sein. Chilli ist überall… und darum wird es übersehen.

Man muss sich nur die Produktionszahlen des Chilli ansehen, um einen Eindruck zu bekommen.

Laut FAO-Statistiken produziert China knapp über 50% der Weltproduktion an frischem Chilli, mehr als 17 Millionen Tonnen im Jahr.

Es trägt allerdings kaum 3% zum weltweiten Export an frischem Chilli bei.

Was China also an frischem Chilli produziert, dass wird offenbar auch gleich im Lande konsumiert!

Die scharfen Küchen der Welt

Fragt man allerdings jemanden, welche Küchen die scharfen Küchen der Welt sind, dann wird die Antwort wohl kaum China sein.

Wer sich etwas auskennt, wird das wohl für verrückt halten. Die Hauptstadt Sichuans, Chengdu, wurde (als erste Stadt Chinas) immerhin zu einer UNESCO „kreativen Stadt“ der Gastronomie. Und Sichuan ist sicherlich für seine scharfe Küche bekannt. Aber eben nicht jedermann…

Zhang Mama's Küche
Zhang Mama Sichuan-Restaurant, Beijing

Hunan-Küche war vor Jahrzehnten schon einmal der grosse Trend in den USA, müsste also sicherlich bekannt sein. Oder?

Vielleicht doch nicht. CNN schrieb kürzlich über „Regional Chinese food: 8 lesser-known cuisines worth trying“ (Regionales chinesisches Essen: 8 weniger-bekannte Küchen, die es wert sind, probiert zu werden). Und eine der Küchen, um die es hier ging war jene von Hunan. Klingt nicht gerade nach grosser Bekanntheit.

Dabei ist Hunan-Küche (Xiang cai), in China zumindest, bekannt für ihre reine Schärfe. Und sie gehört zu den 8 grossen Küchen Chinas, den wesentlichen kulinarischen Traditionen des Landes.

Die Meinung von CNN:

While Sichuan’s numbing, spicy cuisine is popular around the world, the real spice capital of China — Hunan province — is still comparatively undiscovered.

[Während die betäubende, scharfe Küche von Sichuan rund um die Welt beliebt ist, ist das wirkliche Zentrum der Würze in China – die Provinz Hunan – noch immer vergleichsweise unentdeckt.]

https://edition.cnn.com/travel/article/regional-chinese-food/index.html

Aber, Laoganma?!

Laoganma und besonders sein Chilli Crisp besitzt eine grosse Anhängerschaft, bis hin zur Facebook „Laoganma Appreciation Society„.

Verglichen mit Sriracha allerdings ist es noch immer so gut wie unbekannt.

Man braucht gar nicht erst anfangen, nach weiterem Wissen über Guizhou zu fragen… falls Gesprächspartner überhaupt wüssten, dass es sich um eine chinesische Provinz handelt. Und zwar jene, wo Laoganma herkommt. Und wo die chinesische Hauptstadt des Chilli, Zunyi, liegt.

Chilli in China

Zugegeben, der chinesische Zugang zum Chilli hat nicht gerade geholfen.

Manchmal werden das Chilli und scharfe Gerichte und Produkte ganz gut vermarktet.

Chilli ist allerdings so ein normaler Teil der normalen Ernährung so vieler Leute, und selbst in den Gerichten anderer Leute ist es so normal, dass es meist übersehen wird.

Es gibt wohl traditionelle Sorten oder ähnliches, aber diese sind dann einfach, was lokal nun einmal angebaut und genutzt wird. Die Unterschiede sind oft auch nicht dramatisch; das Bewusstsein um so etwas wie traditionelle Sorten ist es ganz sicher nicht (ausser in jenen Fällen, wo Marketing deren Wert erkannt hat).

So werden manche Formen an Chilli wohl erkannt, aber viel tiefer geht es alles üblicherweise damit nicht.

Das Chilli unter Modernisierungszwang

Mit der starken Lust an Modernisierung geht alles eher in Richtung Standardisierung.

Am Markt hat das auch durchaus seinen Wert – aber ebenso können die komplementären Ansätze hin zum lokalen und traditionellen wertvoll sein. Mit Initiativen in Richtung ruraler Revitalisierung scheint sich in diese Richtung auch etwas zu tun.

„Taobao-Dörfer“ haben den Wert lokaler Produkte als Marketingmechanismus auf Chinas grosser Online-Shoppingplatform entdeckt, und China hat eine Tradition der Wertschätzung der Produkte verschiedener Regionen.

Beim Sichuanpfeffer zum Beispiel findet man zwei Orte, woher der beste desselben stammen soll. Viele andere Herkünfte werden von Fans unterschieden. Bei so manchen Früchten und nicht so wenigen Speisen findet man denselben Fall vor.

Dieses Spannungsfeld von Alt und Neu ist nicht gerade etwas Neues. Wo Europa und die USA allerdings Jahrzehnte brauchten, um den Wert von beiden zu entdecken, da entwickelt sich China in Sprüngen dazu.

China könnte leicht das Land sein, wo William Gibsons berühmter Spruch „Die Zukunft ist schon hier, nur ungleich verteilt“ absolut zutrifft.

Das Chilli ist jedenfalls, wie auch immer China sich entwickelt und verändert, überall.

In vielen Speisen. Auf Feldern. In Töpfen auf den engen Gassen durch Hutong. Selbst in Glücksbringern.

Es ist so vielerorts zu finden, es wird übersehen.

Lokaler Markt, Beijing Park
Lokaler Markt, Beijing Park. Chilli grün und rot

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