Chilli, Unerforschte Zutat Feiner Küche

Die Mutter von Zhang Xiaohe, nicht die schlechteste Köchin. Wenn sie gut mit Chilli kochen kann, warum sollten grossartige Köche es nicht auch schaffen?

In den letzten Jahren hat sich die Avantgarde-Küche recht wild gebärt, zumindest technologisch. Molekulargastronomie und ähnliches machte zum Beispiel Schäume aus so ziemlich allem, um Aromen zu intensivieren und ein anderes Mundgefühl, als man es von altbekanntem Essen erhält, zu gestalten.

In der Welt des Chilli aber scheint alles beim alten.

Die Mehrzahl (weisser, westlicher) Kunden/Esser lehnt es ab, Chefs sind der selben Meinung und halten es von ihren edlen Schöpfungen fern – aber zugleich sind scharfe Saucen immer noch ein Wachstumsmarkt. Dem, was man so hört zufolge, scheint es allerdings ein Markt, dominiert von Möchtegern-Machos die sich darin überbieten wollen, wie scharf die Saucen sind, die sie produzieren bzw. konsumieren, zu sein.

Dabei gibt es eine ganze Welt an Aromen und Schärfen, die so vergessen wird, ein Universum an Geschmackskombinationen, das den neugierigen und aufmerksamen Esser in der Nutzung der Geschmäcker, Aromen und Schärfen von Kräutern und Gewürzen zusammen mit Chilli erwartet.

Es ist schon verständlich, dass die Nutzung von Chilli in feiner Küche problematisch ist. Die Reaktionen von Essern zu derselben Schärfe kann schliesslich höchst unterschiedlich ausfallen. Manche sind sehr empfindlich und halten sie gar nicht aus, andere wieder scheinen den „Biss“ scharfer Chillies gar nicht zu merken.

Manche sind aber auch empfindlicher, wenn es um bitteren Geschmack geht. Für manche sind nicht nur Bittermelonen sondern auch schon Kohlsprossen oder Brokkoli unangenehm bitter; andere wiederum können Grapefruits essen als wären sie süsse Orangen.

Es ist alles, stets, eine Frage der Physiologie einer Person wie auch ihrer Herkunft und Geschmackserfahrungen – und wohl auch stark davon beeinflusst, was wir für normal bzw. wohlschmeckend halten. Trüffel sind nicht unbedingt das beste, aber in Anbetracht ihrer Seltenheit, der Aura die sie umgibt und der dementsprechenden Preise müssen sie doch gut sein. Grossartige Käse. Wunderbare Weine und Spirituosen. Selbst grüner Tee…

Was also ist das Problem?

Der ständige Fokus auf Schärfe alleine schadet wohl jedweden Rufen nach einem besseren Verständnis für die komplexen Aromen, die Chillies haben und zu Speisen beisteuern können. Historisch gesehen hat es wohl nicht geholfen, dass die feine Küche nach dem Mittelalter wegging von schweren und würzigen Geschmäckern – und Chilli konnte, anders als echte Pfeffer, aber auch feine Aromen wie Vanille, Muskat oder Macis, oder sogar Safran, so ziemlich überall angebaut werden. Dadurch wurde es in lokalen, traditionellen und oft exotischen Küchen sehr beliebt, aber bei den ‚gebildeten‘ Küchenchefs, welche nach dem nächsten grossartigen Geschmack aus entfernten Ländern und speziellen Lokalitäten umso weniger beachtet.
Umgekehrt liesse sich damit aber erst recht argumentieren, warum Chilli in so ziemlich jedem Küchengarten, jedem Gewürzregal und jeder Küche zu finden sein sollte: Es gibt kein Gewürz (oder Kraut oder Gemüse), das sich so einfach anbauen lässt und so viel Aroma – und/oder Feuer – für so wenig Einsatz bringt.

Die Küchenchefs sollten sich auch endlich der Herausforderung stellen: Wer weiss, wie man wirklich gut kocht, nicht nur mit übertriebenen Methoden molekularer Gastronomie und ähnlichem Firlefanz, sondern mit reinen Zutaten und starken natürlichen Aromen, der/die sollte das Chilli in seine Küche bringen. Wie Rob Walsh in Zester Daily argumentierte, sollte die feine Küche sich endlich des Chilli besinnen „Fine Dining Kitchens Should Pack More Heat“..

Allen und jedem will ich sagen: Vergesst „Chilli“! Erinnert euch an und erkundet die Vielfalt der Chillies. Wisst, dass es nicht nur um tränenreizende Schärfe geht, sondern in der Vielfalt der Chillies eine ganze Menge mehr zu erkunden gäbe – und im Blick auf andere lokale Küchen und ihre typischen Chilli-Kombinationen, noch einmal mehr.

Die Mutter von Zhang Xiaohe, nicht die schlechteste Köchin. Wenn sie gut mit Chilli kochen kann, warum sollten grossartige Köche es nicht auch schaffen?
Die Mutter von Zhang Xiaohe, nicht die schlechteste Köchin. Wenn sie gut mit Chilli kochen kann, warum sollten grossartige Köche es nicht auch schaffen?

6 Antworten

  1. Avatar von Walter M.
    Walter M.

    Ich mag es auch mal neue Gewüze auszuprobieren und habe die erfahrung gemacht, dass einige on ihrnen sogar sehr gut schmecken.

  2. […] kleiner Hinweis darauf war ja schon im Foto am Ende meines Rufs nach mehr Schärfe in der feinen Küche enthalten; Eindrücke von unserem lokalen Markt gab es auch schon; jetzt ist es Zeit, auch die […]

  3. […] auch noch mit einer würzigen Küche geschieht, in der Chilli eine wesentliche Rolle spielt – wovor viele Küchenchefs immer noch zurückschrecken, weil auch sie fälschlicherweise der Meinung s… – dann ist das nicht nur meine Spielwiese sondern meine Kanzel für die nächste […]

  4. […] Lächeln abgerungen; Koriander in molekularer Küche zu feiern erscheint mir nicht gerade grandios; die Chefs könnten zumindest endlich einmal an das Chilli denken und damit Feuerwerke im Gaumen produzieren […]

  5. […] wie die “Master Cleanse” (wobei Chilli ja auch darin vorkommt); weit entfernt vom sinn- und genussvollen Chilligebrauch ist man dabei aber […]

  6. […] Lächeln abgerungen; Koriander in molekularer Küche zu feiern erscheint mir nicht gerade grandios; die Chefs könnten zumindest endlich einmal an das Chilli denken und damit Feuerwerke im Gaumen produzieren […]

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